[64] – Was Ärzte vor der Niederlassung unbedingt bedenken sollten
Was Ärzte vor der Niederlassung unbedingt bedenken sollten
Es gibt unzählige Bücher und Ratgeber, die Dir Auskunft geben, was Du als Arzt vor und bei der Niederlassung alles bedenken und tun solltest. Sicherlich findest Du hier viele hilfreiche und nützliche Tipps.
Die wirklich wichtigen Fragen, die Du Dir vor der Niederlassung unbedingt stellen solltest, werden dort jedoch immer vornehm ausgeklammert.
Das sind am Ende des Tages jedoch die, weshalb junge Praxisinhaber unzufrieden mit ihrer Praxisentwicklung sind oder sogar drohen zu scheitern und sich deshalb hilfesuchend an uns wenden.
Wenn Dich interessiert, welche das sind und wieso sie so bedeutend sind, dann
solltest Du unbedingt weiterlesen…
Banken, Versicherungen, Finanzierungsberater, Praxisvermittler und zahlreiche Verbände stellen Dir kostenfreie Informationsmaterialien, Checklisten, Webinare und Seminare zur Verfügung, um Dir den Weg in die Niederlassung zu erleichtern. Vieles davon hat Hand und Fuß, jedoch beschäftigen sich diese Medien hauptsächlich mit den formellen und „technischen“ Voraussetzungen sowie der operativen Umsetzung einer Niederlassung. Wenn ich mir aber die Probleme anschaue, mit denen Mediziner kämpfen, die mit Ihrer Niederlassung nicht wirklich glücklich sind, dann liegen diese meist völlig anders.
Diese eine Frage, deren positive Beantwortung weit vor den operativen Schritten liegen sollte, lautet:
Habe ich das Mindset eines Unternehmers?
Selten realisieren Ärzte, dass sie mit Ihrer Niederlassung nicht nur ihre ärztliche Tätigkeit fortsetzen, sondern sich gleichzeitig in ein ganz neues Berufsfeld wagen. Denn mit der Eröffnung einer eigenen Praxis werden sie auch Unternehmer – eine Rolle, die für die meisten völlig unbekannt ist.
Das Thema Unternehmertum wird von Ärzten oft schnell abgetan mit der Bemerkung: „Dafür habe ich doch einen Steuerberater. Der kümmert sich schon darum.“ Aber mal ehrlich? Was dein Steuerberater tatsächlich macht, ist die Buchhaltung, die Steuererklärung und in vielen Fällen die Lohnabrechnung. Mehr nicht, außerdem befinden wir uns damit bereits im operativen Teil des Unternehmertums.
Worauf es mir jedoch ankommt, ist der Schritt davor. Es geht um das richtige Mindset. Wie sieht das bei Dir aus? Glaubest Du an Selbstwirksamkeit? Willst Du gestalten? Nimmst Du wirklich Dein Schicksal gerne selbst in die Hand?
„Unternehmer-Mindset“ beschreibt die Denkweise, die einen Selbstständigen zum Erfolg führt.
Als Gründer bist Du Allrounder und Multitalent, Kopf, Herz und Muskeln Deiner Praxis. Zu Deinen Aufgaben gehört neben der Medizin nun auch die Unternehmensleitung, die Führung deiner Mitarbeiter und das Controlling.
Trotz Steuerberater benötigst Du zumindest ein Basiswissen in den Bereichen Betriebswirtschaft, Steuern und Recht und natürlich gehört nun auch das Praxismarketing zu Deinen neuen Aufgaben. All diese und viele andere Aufgaben, die in Deiner zukünftigen Praxis anfallen, erfordern nicht nur Fachkenntnisse. Auch die eigenen Werte, Charaktereigenschaften und Deine innere Haltung bestimmen, wie erfolgreich Du die einzelnen Herausforderungen meisterst.
Dabei ist es wichtig zu wissen, dass niemand das perfekte unternehmerische Mindset für alle Herausforderungen im unternehmerischen Alltag mitbringt. Jeder Unternehmer hat Stärken und Schwächen. Für den Erfolg sind zwei Komponenten ausschlaggebend, nämlich Stärken und Schwächen zu erkennen und die Bereitschaft an Defiziten zu arbeiten, um Dein persönliches Profil zu schärfen.
Zu einem funktionierenden Unternehmer Mindset gehören folgende Eigenschaften:
- Selbstvertrauen
- Durchhaltevermögen und Ausdauer
- Organisationstalent
- Kritikfähigkeit
- Verantwortungsbewusstsein
- Lernbereitschaft und -vermögen
- Fähigkeit zur Selbsteinschätzung
- Entscheidungsvermögen
- Keine Angst vor unangenehmen Tätigkeiten
- Resilienz
- Kreativität
- Motivation
- Flexibilität
Wie aber sieht die Realität aus – Welches Unternehmer Mindset bringst Du mit?
Hier einige Fragen, um der Antwort näher zu kommen:
- Wer bin ich?
- Wofür stehe ich?
- Welche Eigenschaften zeichnen mich aus?
- Wo liegen meine Stärken?
- Wie ist es um die Schwächen bestellt? (Sei ehrlich!)
- Welche Ängste belasten oder hemmen mich?
- Was möchte ich?
- Was möchte ich mit meiner Praxis erreichen?
Und abschließend noch 3 etwas größere Fragen:
- Was verstehe ich unter Lebensqualität?
- Was macht mich zufrieden?
- Und was ist Glück für mich?
Es ist wertvoll, sich für diesen Fragen ausführlicher zu beschäftigen, dabei Papier und Bleistift parat zu haben, um die Antworten aufzuschreiben.
Hier einige Beispiele aus unserem Alltag, die deutlich machen, wie wichtig richtiges Mindset ist.
Beispiel 01
Da ist der Dermatologe, frischgebackener Praxisinhaber und gleichzeitig Vater einer kleinen Tochter. Und nun wird Ihm bewusst, dass zur Selbstständigkeit mehr gehört, als 34 Stunden pro Woche Patienten zu behandeln.
Und eigentlich ist ihm auch das schon zu viel, denn er will ja seine Tochter aufwachsen sehen. Jedoch basiert der Lebensstandard der jungen Familie auf dem üppigen Angestelltengehalt, dass er vorher mit nach Hause brachte. So ist hier eine völlig überflüssige Stresssituation entstanden, die nie entstanden wäre, wenn sich der junge Mann vorab mit seinen Werten, Lebenszielen und Prioritäten befasst hätte.
Beispiel 02
Zwei junge Allgemeinmedizinerinnen übernehmen eine Praxis und stellen fest, dass sie wirtschaftlich nicht zurechtkommen. Der Steuerberater erklärt Ihnen, dass sie viel zu hohe Personalkosten hätten, die Bank lässt Sie wissen, dass sie nun aber auch mal Gewinne machen müssten. Beide Aussagen sind auf den ersten Blick zwar verständlich, helfen aber nicht wirklich weiter.
Auf der Suche nach dem Ausweg aus dem Dilemma, wenden sie sich an uns.
Unsere Analyse zeigt sofort deutlich, wo die Probleme liegen:
Zu viele Besuche pro Patient pro Quartal, zu lange Terminslots pro Patient, zu wenig Selbstzahlerleistungen, kaum Privatpatienten, für die auch überhaupt keine freien Slots mehr verfügbar sind und so weiter…
Bei Licht betrachtet alles lösbare Punkte.
Das wahre Problem aber liegt an völlig anderer Stelle:
Die Damen schaffen die Umsetzung der notwendigen Veränderungen nicht. Sie scheuen die Auseinandersetzung mit den Patienten und den Mitarbeitern, denn sie möchten auf jeden Fall Streit und schlechte Stimmung vermeiden. Außerdem sind sie auch der Meinung, dass es die Patienten überfordere, wenn sie auch noch Geld für Gesundheitsleistungen zu zahlen müssten.
Zum Glück ist der Ehemann der einen Ärztin ein sehr erfolgreicher Bauträger. Von daher müssen wir uns um das Überleben der beiden keine Sorgen machen.
Aber mal im Ernst: Das hätte man doch alles weit vor einer Niederlassung erkennen können. Hier geht es ausschließlich um richtiges „Mindset“.
Beispiel 03
Oft ist das Hauptmotiv niederlassungswilliger Kollegen die persönliche Freiheit und Selbstbestimmung. Da werde ich inzwischen schon immer etwas hellhörig und hinterfrage das intensiver. Warum zeigt das nächste Beispiel sehr deutlich:
Wir wurden vor einiger Zeit von einem Orthopäden um Unterstützung gebeten, der am Telefon mitteilte, viel zu arbeiten und trotzdem wirtschaftlich auf keinen grünen Zweig zu kommen. Wie bei all diesen Erstterminen haben wir ihm zur Vorbereitung des persönlichen Gesprächs vorab einige Fragen und Unterlagenanforderungen per Mail zugesandt. Alles, was wir erhielten war wenige Tage vor dem Termin eine Mail, dass er noch nicht dazu gekommen sei die Unterlagen zusammenzustellen, aber sich nun dran machen würde. Kein Problem, sowas kann vorkommen.
Am Tag des Termins fiel mir in die Praxis das Chaos an der Rezeption auf. Es war Freitagnachmittag, die Praxis war menschenleer und an der Rezeption lagen diverse Papierberge in unterschiedlichen Höhen. Auf meine Nachfrage reagierte der Praxisinhaber verwundert. Das hätten die Damen wohl nicht mehr geschafft – eine Kollegin sei wohl krank gewesen.
Der anschließende Praxisrundgang war ernüchternd. Ich habe selten eine so unaufgeräumte Praxis gesehen. Der absolute Höhepunkt, war dann aber selbst dem Inhaber peinlich: Das war der unbeabsichtigte Blick in sein Büro. Dort herrschte das totale Chaos.
Um es kurz zu machen:
Nichts von den angeforderten Unterlagen war vorbereitet, die Buchhaltungs-unterlagen waren 1,5 Jahren im Rückstand und im Grunde hatte mein Ansprechpartner auch überhaupt keine Beziehung zu Zahlen und bürokratischen Notwendigkeiten. Nicht schlimm, jedoch die Voraussetzung für eine Selbständigkeit.
Die Motivation „sein eigener Herr und frei zu sein“ bedeutet hier eigentlich nur 2 – 3 Jahre Chaos, ohne dass einem der Chef die Ohren langzieht. Nach dieser Zeit kommen dann allerdings die finanzierende Bank und das Finanzamt und legen Dir die Daumenschrauben an. Da würde ich dann doch lieber den zur Ordnung mahnenden Chef weiter ertragen, als über Jahre hinweg das Finanzamt im Genick zu haben.
Zusammenfassung:
Ich hoffe, es ist deutlich geworden, welche Bedeutung Dein Mindset für den Erfolg deiner Praxis hat. Deshalb steht die Frage nach dem richtigen Mindset für mich immer am Anfang.
Wenn Du weitergehende Fragen dazu hast oder Du an unserem Workshop „Unternehmer-Mindset“ interessiert bist, dann ruf mich einfach an oder schick mir eine E-Mail an w.apel@medikom.org. Wir können dann einen Termin für ein unverbindliches und selbstverständlich kostenloses Erstgespräch vereinbaren und dabei besprechen, wie wir dich am besten unterstützen können.