[75] – Mitarbeiterführung in der Arztpraxis: Warum Angst vor Verlust ein schlechter Ratgeber ist
Gemeinschafts- oder Einzelpraxis – welche Variante passt besser zu Dir?
Lesezeit ca. 8min
Als Praxisinhaber kennst Du das sicher: Nicht immer läuft im Team alles so, wie Du es Dir vorstellst. Und dann stehst Du vor der Frage: Wie gehe ich jetzt damit um, ohne jemanden zu verlieren? Was, wenn die betroffene Mitarbeiterin oder der angestellte Arzt beleidigt reagiert und kündigt? Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ein echter Albtraum. Aber: Angst ist ein schlechter Ratgeber – vor allem in der Mitarbeiterführung. In diesem Blog zeige ich Dir, wie Du souverän und sachlich mit schwierigen Situationen umgehst – und warum genau das Dein Team langfristig stärkt.
Du darfst (und musst) Erwartungen klar kommunizieren
Ein Beispiel: Eine Mitarbeiterin fehlt immer wieder kurzfristig wegen kleinerer gesundheitlicher Beschwerden. Du beobachtest das schon eine Weile – aber traust Dich nicht, sie anzusprechen, weil Du befürchtest, sie könnte sich angegriffen fühlen oder sogar kündigen.
Oder: Eine angestellte Ärztin erwirtschaftet gerade genug, um ihr eigenes Gehalt zu decken – ein Plus bleibt nicht übrig. Du willst das Thema ansprechen, aber hast Angst, sie damit zu verärgern.
Die Angst, Mitarbeitende durch Kritik zu verlieren, ist weit verbreitet. Aber sie hält Dich davon ab, Deine Praxis erfolgreich zu führen – und vor allem, Deine Top-Mitarbeiter zu halten.
Schütze Deine A-Mitarbeiter – nicht die, die Dich ausbremsen
Erinnerst Du Dich an die Folge 34 unseres Blogs? Da ging es um A-, B- und C-Mitarbeiter. Ziel sollte es sein, innerhalb von 2 bis 3 Jahren ein Team aus A-Mitarbeitern aufzubauen – also aus hochmotivierten, leistungsstarken und loyalen Kolleginnen und Kollegen.
Was glaubst Du, wie reagieren diese A-Mitarbeiter, wenn sie ständig die Arbeit für die „Minderleister“ mittragen müssen? Richtig: mit Frust.
Selbst B-Mitarbeiter, also engagierte, aber (noch) nicht durchgehend Top-Performer, verlieren die Motivation, wenn sie sehen, dass schlechte Leistung nicht thematisiert wird.
Deshalb gilt: Du musst handeln – nicht irgendwann, sondern sofort. Und zwar nicht aus Angst, sondern aus Verantwortung gegenüber Deinem Team.
So sprichst Du kritische Themen richtig an
Natürlich bedeutet das nicht, dass Du wie ein Derwisch durch die Praxis laufen sollst. Im Gegenteil: Die Kunst liegt im sachlichen, respektvollen Dialog. Hier zwei konkrete Beispiele:
Beispiel 1: Häufige Krankmeldungen
Starte das Gespräch nicht mit Vorwürfen, sondern mit einer neutralen Beobachtung: „Ich habe kürzlich einen Artikel gelesen, in dem stand, dass hohe Fehlzeiten oft ein Zeichen dafür sind, dass jemand unzufrieden im Job ist. Mir ist aufgefallen, dass Du in letzter Zeit häufiger gefehlt hast – ich wollte mal nachfragen, ob es etwas gibt, das Dich in Deinem Arbeitsumfeld stört.“
Damit zeigst Du Interesse und eröffnest ein Gespräch auf Augenhöhe – ohne sofort in die Konfrontation zu gehen.
Beispiel 2: Schlechte Wirtschaftlichkeit
Im Fall der angestellten Ärztin hilft ein faktenbasierter Ansatz: Sprich offen über Kennzahlen wie Honorarstundenumsatz, Patientenzahl pro Stunde oder Selbstzahleranteil. Vergleiche ihre Zahlen mit Deinen eigenen, mit Branchendurchschnitten oder mit den Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
So wird deutlich: Es geht nicht um Deine subjektive Wahrnehmung, sondern um messbare Fakten. Und damit hast Du die Basis, um konkrete Verbesserungsziele zu vereinbaren.
Was tun, wenn es trotzdem zur Kündigung kommt?
Auch wenn Du alles richtig machst: Es kann passieren, dass ein Mitarbeiter beleidigt reagiert und geht. Das ist jedoch nicht automatisch schlimm – manchmal ist es sogar gut.
Denn: Es kostet Dich auf Dauer deutlich mehr, einen C-Mitarbeiter zu behalten, als ihn zu ersetzen. Die Gallup-Studie und auch Prof. Knoblauch sagen es klar: Die Entwicklung eines B- zu einem A-Mitarbeiter ist selten, die eines C- zum B-Mitarbeiter fast ausgeschlossen.
Und was ist mit der Verantwortung?
Natürlich kommt in einer Einzelpraxis die volle Verantwortung auch komplett bei Dir an. Aber das ist für viele gerade der attraktive Punkt daran: Du triffst Entscheidungen, Du kannst neue Ideen sofort umsetzen, und wenn etwas schiefläuft, kannst Du ohne große Abstimmungsprozesse reagieren. Die Verantwortung wächst – doch dafür bist Du unabhängig.
Wenn Du hingegen merkst, dass Dich betriebswirtschaftliche Planungen oder Mitarbeiterführung eher stressen und Du ohnehin nur am liebsten behandeln willst, solltest Du Dir die Rolle als Angestellte/r vielleicht noch einmal genauer anschauen. Hier kannst Du bei Bedarf jederzeit kündigen und hast kaum Verpflichtungen – was in einer Gemeinschaftspraxis so nicht möglich ist.
Recruiting lohnt sich – auch wenn es Geld kostet
„Aber man findet doch keine guten Mitarbeiter mehr!“ – Kommt Dir das bekannt vor?
Wir können Dir aus Erfahrung sagen: Doch, das geht. Wir begleiten Praxen in ganz Deutschland – und haben noch jede Stelle besetzen können, egal ob MFA, Praxismanagerin oder angestellter Arzt. Es braucht nur klare Anforderungen, Geduld und ein professionelles Recruiting.
Ein Beispiel gefällig? In einer Augenarztpraxis in Baden-Württemberg stand die Besetzung einer wichtigen Management-Position an. Zwei Bewerberinnen waren „okay“, aber eben nicht ideal. Statt sich auf einen Kompromiss einzulassen, starteten wir eine zweite Runde – und konnten am Ende aus drei Top-Kandidatinnen wählen. Heute arbeitet dort eine A-Mitarbeiterin – und die Investition hat sich in wenigen Monaten amortisiert.
Rechne es Dir durch: Minderleister kosten richtig Geld
Noch ein Praxisbeispiel: Zwei angestellte Ärzte erzielten einen Honorarstundenumsatz von 133 und 137 €. Klingt erstmal okay – reicht ja für’s Gehalt. Jedoch der wirtschaftlich sinnvolle Wert liegt bei mindestens 200 €. Das heißt: Pro Stunde verlor die Praxis rund 65 € – pro Jahr waren das über 100.000 € pro Arzt.
Dem gegenüber stehen Recruitingkosten von 20.000 bis 30.000 €, also etwa 2–3 Monatsgehälter – eine Investition, die sich schnell rechnet.
Fazit: Mut zahlt sich aus
Angst vor Verlust darf niemals Deine Führungsentscheidungen bestimmen. Du bist verantwortlich für Dein gesamtes Team – und insbesondere für die Top-Leute, die Deine Praxis voranbringen.
Deshalb gilt:
- Kritikgespräche sind Pflicht, nicht Kür.
- Führe sie sachlich, respektvoll und auf Augenhöhe.
- Hab keine Angst vor Kündigungen – hab Angst davor, Deine guten Leute zu verlieren.
- Investiere lieber einmal in gutes Recruiting, als dauerhaft mit Ineffizienz zu leben.
Übrigens: Wenn Dir das Thema „Fallstunden-Berechnung“ oder Kennzahlenmanagement noch fremd ist, schau Dir unbedingt unseren Workshop dazu an. Hier bekommst Du auch das Excel-Tool, das wir in allen betreuten Praxen einsetzen – einfach eine Mail an w.apel@medikom.org und wir sprechen darüber.
Und falls Du Unterstützung im Recruiting oder in schwierigen Führungssituationen brauchst – melde Dich. Das erste Gespräch ist unverbindlich und kostenlos.
Bleib mutig und gestalte Deine Praxis so, wie Du sie haben willst – mit einem Team, das Dich wirklich weiterbringt.
Dein
Wolfgang Apel
