[78] – Nehmen Privat-Patienten den gesetzlich Versicherten wirklich Behandlungszeit weg?
Nehmen Privat-Patienten den gesetzlich Versicherten wirklich Behandlungszeit weg?
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Letzte Woche stellte mir eine Kundin die Gewissensfrage:
„Darf ich gesetzlich versicherte Neupatienten ablehnen, aber Privatpatienten weiterhin aufnehmen?“
Eine scheinbar einfache Frage, die jedoch aus vier Blickwinkeln betrachtet werden muss: gesetzlich, ethisch-moralisch, wirtschaftlich – und in ihrer Drittwirkung auf Dein Team und Deine Patienten. Lies weiter, wenn Du eine belastbare Antwort suchst.
1. Gesetzlicher Aspekt – Dein Versorgungsauftrag
Besitzt Du einen vollen Kassensitz, bist Du verpflichtet, mindestens 25 Sprechstunden pro Woche für gesetzlich Versicherte anzubieten. In der Realität leisten die meisten Niedergelassenen rund 35 Behandlungsstunden.
Ein Rechenbeispiel:
Parameter | Wert |
Gesamt-Behandlungszeit | 35 h/Woche |
Privatpatientenanteil (bundesweit Ø) | 11 % |
Verlängerte Privattermine (+50 %) | ≈ 6 h/Woche |
Du behandelst also 29 h gesetzlich Versicherte – und übererfüllst Deinen Auftrag deutlich. Erst ab etwa 20 % Privatanteil (bei längeren Terminen) oder 30 % (bei gleichen Terminen) würdest Du die Grenze erreichen. Kurz: Bleibst Du in diesem Rahmen, droht von der KV keinerlei Ungemach.
2. „Zwei-Klassen-Medizin“ und die Kraft transparenter Terminplanung
Der Ärger entsteht oft, weil Patienten Dein Einbestellsystem nicht kennen. Sie sehen nur:
- Kassenpatient → 6 Wochen Wartezeit
- Privatpatient → Termin in wenigen Tagen
Erkläre offen, dass Du zwei getrennte Zeitkontingente führst und veröffentliche auf Deiner Website klar getrennte Kassen- sowie Privat-/Selbstzahler-Sprechstunden. Das schafft Verständnis und reduziert Frust.
Praxis-Tipp:
Versende nach jeder Terminvereinbarung automatisiert einen Anamnesebogen (inkl. Abfrage der Versicherung) und einen Behandlungsvertrag mit Terminausfallgebühr. Wer die Unterlagen nicht spätestens drei Tage vorher zurückschickt, verliert den Termin – Missverständnisse ausgeschlossen.
3. Ethisch-moralischer Aspekt – wird hier wirklich jemand benachteiligt?
Viele werfen Ärzten vor, Privatpatienten zu „bevorzugen“. Doch wenn jeder Patient den nächstmöglichen Termin innerhalb seines Kontingents erhält – 25 h für GKV, separate Stunden für PKV – existiert keine Bevorzugung. Jeder bekommt exakt das, was ihm zusteht. Ende der Debatte.
4. Wirtschaftlicher Aspekt – ohne Privatpatienten kein stabiles System
Dazu ein Zitat von Mark Barjenbruch, Vorstandsvorsitzender der KV Niedersachsen:
„Ohne Privatpatienten würden auch die gesetzlich Versicherten schlechter behandelt werden. 23 % des Praxisumsatzes stammen von nur 10 % Privatversicherten – nur so können Praxen ausgestattet werden, dass auch GKV-Patienten profitieren.“
Die GKV-Honorare sind gedeckelt; bis zu 20 % bereits erbrachter Leistungen bleiben unvergütet. Privatpatienten finanzieren damit indirekt die Versorgung aller.
5. Drittwirkung – was Team und Patienten denken
Ob Deine Mitarbeitenden und Patienten Dein Modell akzeptieren, hängt allein davon ab, wie offen Du kommunizierst. Erkläre:
- Zwei strikt getrennte Zeitkontingente: 25 h Kassen-Sprechstunde vs. X h Privat-/Selbstzahler-Sprechstunde.
- Nutzen für alle: Höhere Einnahmen ermöglichen moderne Ausstattung, kürzere Wege und mehr Personal.
Visualisiere diese Aufteilung z. B. als einfache Balkengrafik im Teammeeting oder Wartezimmer. Verstehen Menschen das Konzept, verschwindet der Neidfaktor fast von selbst.
In eigener Sache:
Mehr Effizienz ohne kontinuierliche Erfolgsmessung ist Glückspiel. In meinem 3-stündigen Online-Workshop „Kennzahlenmanagement“ erhältst Du:
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Fazit – Deine klare Antwort
Nehmen Privatpatienten Behandlungszeit weg?
Nein – solange Du Deinen Versorgungsauftrag erfüllst, teilst Du lediglich Deine Woche in zwei faire Kontingente. Privatpatienten finanzieren sogar Teile der GKV-Versorgung. Entscheidender Erfolgsfaktor bleibt eine glasklare Kommunikation an alle Stakeholder.
Bist Du dabei im Reinen mit Dir selbst, überzeugst Du Dein Team und Deine Patienten – und kannst guten Gewissens sowohl gesetzlich Versicherte als auch Privatpatienten optimal versorgen. Solltest Du dazu Unterstützung wünschen, melde Dich gern für ein kostenloses Erstgespräch: w.apel@medikom.org.
Bleib dran, bleib transparent – und gestalte Deine Praxis nach Deinen Regeln.
Dein Wolfgang Apel
