[52] – Was Krankschreibungen mit dem Bewerbungsprozess zu tun haben

Was Krankschreibungen mit dem Bewerbungsprozess zu tun haben

Es gibt mittlerweile diverse offene und geschlossene Sozial-Media-Gruppen, in denen sich Mediziner über Probleme im Tagesgeschäft austauschen. Zwei Themen dominieren, nämlich zum einen explodierende Krankschreibungen im Praxisteam und zum anderen alle Facetten von Schwierigkeiten mit Auszubildenden.

Den nachfolgenden Text, den ich als absolut repräsentativ für viel andere Posts zum gleichen Thema halte, habe ich letzte Woche in einer dieser Gruppen gelesen:

Ich will meine Azubi loswerden und weiß nicht, ob es geht. Seit September hat sie angefangen, ist 100% motiviert aber IQ unterirdisch. Muss das Gleiche 100 mal erklärt bekommen bis sie es versteht, und dann muss aber ständig nachkontrolliert werden ob sie es auch richtig gemacht hat (und es geht nicht um komplizierte Aufgaben). Spricht auch schlecht Deutsch, so dass Sie in einfachste Beratungen nicht einzusetzen ist und die Schulnoten sind wahrscheinlich entsprechend schlecht. Leider ist die Probezeit vorbei. Habe ich noch eine Chance sie loszuwerden?

Du wirst vielleicht verwundert sein, wenn ich Dir sage, hier liegt die Ursache nicht beim AZUBI, sondern im Bewerbungsprozess.

Lass uns nochmal den Post der hilfesuchenden Kollegin angucken. Zwei Dinge wurden Ihr klar: Der IQ ihrer Auszubildenden sei unterirdisch, wie auch ihre Deutschkenntnisse… 

Sicher hätte man das doch schon vor der Einstellung feststellen können?

Immer wieder geraten Praxisinhaber in die gleiche Situation: Die Anzahl der Bewerbungen reicht nicht aus, um eine Auswahl treffen zu können. So werden junge Menschen eingestellt, die bei Licht betrachtet die notwenigen Voraussetzungen für diesen Beruf nicht erfüllen. Eignung wird dann durch Hoffnung ersetzt, das reicht aber leider nicht aus.

Was kann man nun besser machen?

Recruiting kostet Geld

Geld kostet es, weil heutzutage ohne Social-Media-Werbung gar nicht mehr die notwendige Menge an Bewerbern generiert werden kann, um eine vernünftige Auswahl treffen zu können. Dazu kalkuliere ein Werbebudget von 30 – 40 € pro Tag über einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen.

Weiter fehlt in den meisten Praxen eine Google-for-Jobs fähige Karriereseite und ein Werbekonto bei Meta, dem Mutterkonzern von Instagram und Facebook. Beides zusammen sollte für 1.500 bis 2.000 € einzurichten sein. Dann benötigst Du eine professionell aufgesetzte Werbekampagne mit entsprechenden Anzeigenmotiven und gut gemachten Werbetexten sowie der dazugehörigen Landingpage bzw. einem Funnel, um die Bewerbungen einzusammeln und vorab zu qualifizieren. Die Investition für eine derartige Kampagne beträgt rund 3.000 €.

Alles in allem reden wir also von etwa 5.000 €.

Mit dieser einmaligen Investition hast Du Dir eine „Bewerbungs-Generierungs-Maschine“ gekauft, die Du bei Bedarf ein- und ausschalten kannst.

Damit löst Du endgültig das Problem von zu wenigen Bewerbungen und bist für immer unabhängig von Recruiting Agenturen und Personalvermittlern.

Alles, was in der Zukunft dann für eine Mitarbeitergewinnungsaktion an Kosten entsteht, sind gerade mal die 30 – 40 € Werbekosten pro Tag.

Recruiting kostet Zeit!

Du solltest Dir abends und am Wochenende Zeit einplanen, um mit jedem Bewerber ein Telefonat zur Vorqualifizierung zu führen.

Wenn wir heute von Bewerbungen reden, dann besteht eine Bewerbung ja in Wahrheit nur aus Kontaktdaten. Wenn Du im ersten Schritt bereits mehr einforderst, also klassisch Lebenslauf, Lichtbild, Zeugnisse und Anschreiben, dann reduzierst Du die Anzahl der Bewerbungen auf ein Minimum. So kann von Auswahl am Ende nicht mehr die Rede sein. Davon würde ich abraten.

Wenn nun also eine dieser „Kurzbewerbungen“ bei Dir eintrudelt, solltest Du sicherstellen möglichst zeitnah per Telefon Kontakt aufzunehmen. Die Wechsel-motivation sinkt beträchtlich, wenn Du die Bewerberin nicht innerhalb von 24 Stunden kontaktierst.

Das hat viel mit Wertschätzung zu tun, die viele der jungen Damen in Ihrem derzeitigen Arbeitsverhältnis vermissen. Sie hoffen, diese in einer anderen Praxis zu finden. Wenn Du schnell reagierst, zeigt Ihnen das, dass sie Dir wichtig sind. Und damit hast Du schon einen ganz entscheidenden emotionalen Bonus.

Unsere Erfahrung ist, dass wir viele der Damen beim ersten Anruf nicht erreichen. Dann schicken wir sofort nach dem erfolglosen Anruf eine nette Mail mit einem Terminvorschlag, zu dem wir wieder anrufen. Weiter bitten wir, uns zwei Alternativtermine, falls der von uns genannte Termin nicht passen sollte.
Meist schlagen wir als Telefontermin Mittwoch oder Freitag zwischen 14:00 und 15:00 Uhr vor. Der gleiche Zeitraum am Sonntag wird auch sehr gerne genommen.

Für das Telefongespräch solltest Du Dir einen Gesprächsleitfaden mit Fragen vorbereiten und gut und gerne 20 bis 30 Minuten Zeit einplanen.

Ich lasse mir immer gern den kompletten Lebenslauf erzählen und hake bei allen Stationen nach:
Was hat Dir in der Schule besonders gefallen, was fandst Du besonders schwierig? Welche Lehrer haben Dir gefallen, welche nicht – Warum?
Warum hast Du gerade die Ausbildung zur MFA gemacht und warum in dieser Praxis? Was hat Dir da gefallen, was nicht? Und so weiter…
Wichtig ist, dass Du ein gutes erstes Bild von der Bewerberin bekommst und checkst, ob sie zu Dir und Deinem Team passen könnte.

Wahrscheinlich kannst Du spätestens jetzt mein völliges Unverständnis für die eingangs zitierte Kollegin nachvollziehen.

Wenn Du während des Telefonates das Gefühl hast, „das könnte passen“, dann empfehle ich, jetzt bewusst eine Hürde in den Bewerbungsprozess einzubauen.
Ich bitte nämlich nun um Übersendung der klassischen Bewerbungsunterlagen, also Lebenslauf, Lichtbild & Zeugnisse. Bewusst verzichte ich auf ein Anschreiben mit Verweis auf das geführte Telefonat und verspreche, mich umgehend nach Erhalt dieser Unterlagen zu melden, um einen Termin für ein erstes persönliches Gespräch zu vereinbaren.
Meine Abschlussfrage im Telefonat lautet: „Bis wann kann ich mit der Zusendung deiner Unterlagen rechnen?“. Diesen Termin notiere ich mir, wie alles andere, was ich im Telefonat mit der Bewerberin besprochen habe.

Sollten zu dem vereinbarten Termin die Unterlagen nicht bei mir sein, hake ich nochmal telefonisch nach. Falls ich die Bewerberin nicht erreiche, schicke ich eine E-Mail hinterher, in der ich zum Ausdruck bringe, an einer Zusammenarbeit interessiert zu sein und zumindest um Zusendung eines tabellarischen Lebenslaufs bitte.

Ich hätte nie gedacht, für wie viele der Damen es ein echtes Problem darstellt aussagefähige Bewerbungsunterlagen zu erstellen. Eine Entwicklung, die jeder von uns mitzuverantworten hat. In einer Zeit, wo jede MFA bzw. ZFA allein schon dafür einen Arbeitsvertrag angeboten bekommt, dass sie überhaupt Bereitschaft signalisiert in der jeweiligen Praxis zu arbeiten, ist das doch kein Wunder, oder?

Wenn Du die Bewerbungsunterlagen erhalten hast, schau sie Dir bitte genaustens an und hinterfrage auch Dich selbst dabei.
Ist für dein Verständnis ein Hauptschulabschluss die richtige Grundlage?
Passt das in Dein Team und zu Deinen Wunschpatienten?
Deutsch 4, Mathe 5 ist das für die zu besetzende Stelle ausreichend?
Die Ausbildung in zwei Praxen begonnen und anschließend alle paar Monate einen neuen Arbeitgeber?
Wie wahrscheinlich ist es, dass sie länger bei Dir bleibt?

Ich kann da stundenlang weitermachen, aber ich glaube Du weißt, worum es geht:
Bitte nimm Dir Zeit und setze Dich kritisch mit den Unterlagen auseinander.

Spätestens jetzt kommt von vielen Kollegen der Einwand: So bekomme ich doch nie jemanden!

Im Gegenteil…, wenn Du so vorgehst und niemand schafft es in die erste Reihe, dann bist Du leider für gute Bewerber nicht attraktiv oder nicht sichtbar genug.

Dahinter steckt die Frage:
Bist Du mit Deiner Praxis klar und unverwechselbar positioniert und kommunizierst Du diese Positionierung deutlich in der Patienten- & Bewerberkommunikation? Zahlen Deine Website, Dein Google-Unternehmenskonto, Deine Social-Media-Kanäle sowie alle sonstigen von Dir genutzten Kommunikationskanäle auf dieses klar definierte Praxis-Profil ein?

Sicher musst Du dann an deiner Außen-Kommunikation arbeiten

Wir betreuen inzwischen bundesweit so viele Praxen, quer durch alle Fachrichtungen und Größenordnungen, dass es da wirklich überhaupt keinen Zweifel gibt.
Wenn Du Deine Hausaufgaben im Bereich Positionierung und Kommunikation einmal sauber erledigt hast und kontinuierlich dranbleibst, lösen sich sehr viele Probleme in Deiner Praxis in Wohlgefallen auf.

Das Thema „Positionierung und Kommunikationskonzept“ ist natürlich schon recht komplex und findet in einer anderen Ausgabe Platz.

 

Zurück zu unseren Bewerbern:
Der nächste Schritt ist das persönliche Bewerbergespräch.
Das handeln einige Kollegen oft kurz zwischen Tür und Angel ab.

Dieses Gespräch ist für Dich die Chance, mehr über den Menschen zu erfahren, der nun über Jahre täglich in deiner Praxis deine Ziele mit verfolgen soll. Für die Bewerberin ist es die Chance Wertschätzung zu erfahren, zu erkennen, hier steht das Team wirklich im Mittelpunkt.

Du zeigst durch Deine Fragen, für die Du Dir vorab ein Konzept gemacht hast, Dein Interesse an der Bewerberin. Dadurch, dass Du Informationen aus dem Telefonat einfließen lässt, zeigst Du, dass Du wirklich zugehört hast und untermauerst somit Dein Interesse an dieser Person.

Im Gegenzug solltest Du auch ausführlich von Dir, Deiner Praxis, dem Miteinander im Team sowie den dort geltenden Spielregeln berichten.

Aber Achtung: Bitte versuche nicht Dich und Deine Praxis so darzustellen, als wenn alles super wäre. Berichte offen von den derzeitigen Herausforderungen.
Frage die Bewerberin, ob die geschilderten Rahmenbedingungen für sie o.k. sind und ob sie sich vorstellen kann damit zu leben.

Nur wer wirklich weiß, auf was er sich einlässt, kann später von der Realität im Arbeitsalltag nicht eingeholt werden.

Schönmalerei im Bewerbungsgesprächen mündet doch zwangsweise in Enttäuschung. Enttäuschung gepaart mit mangelnder Kommunikation führt dauerhaft zur inneren Kündigung.

Das bringt uns gleich zum nächsten Punkt:
Sprich das Thema Krankschreibung im Bewerbungsgespräch gleich an.

Das kann man inzwischen sehr offen einbauen, da es ja mittlerweile Studien gibt, die belegen, dass die in den letzten beiden Jahren in die Höhe geschnellten Krankschreibungen der Ausdruck von Unzufriedenheit und ungerechter Behandlung sind.

Es ist wichtig, dass eine neue Mitarbeiterin versteht, dass Du ein offenes Ohr für die Belange deines Teams und dessen Wohlbefinden hast. Wenn Sie spürt, dass Du auf Ihre Fragen eingehst, signalisiert das Interesse an ihrer Person.

Auch das Thema Weiterbildung und berufliche Perspektive gehört in das Bewerbungsgespräch. Was wünscht sich die Bewerberin und was kann Deine Praxis ihr bieten. Mangelnde Chance zur persönlichen Weiterentwicklung und Weiterbildung sind Hauptgrund für Mitarbeiter eine Praxis zu verlassen.

Natürlich gehört auch das Thema Einkommenssituation in dieses Gespräch. Allerdings würde ich immer dazu raten, in diesem Punkt offen zu sein.
Natürlich hat jeder Praxisinhaber eine Vorstellung, was er für die zu besetzende Stelle bereit ist zu vergüten. Trotzdem würde ich immer zuerst die Bewerberin fragen, was sie gerne verdienen möchte. Sollte das deutlich über Deinen Vorstellungen liegen, hilft Dir ein leistungsbezogenes Gehaltskonzept weiter, das Du mit folgender Einstiegsfrage erläutern kannst: „Angenommen, wirklich nur mal angenommen, ich würde Ihnen ein Festgehalt 10% unter Ihren Vorstellungen anbieten, aber Sie könnten über Ihre Leistung 20% mehr verdienen, wäre das interessant für Sie?“

Falls das etwas völlig Neues für Dich ist, lies Dir doch bitte mal den Blog #005 durch, da geht es sehr ausführlich um das Thema „Leistungsbezogene Vergütung“.

Letzter Punkt des persönlichen Bewerbungsgesprächs sollte die Verabredung zu einem Probearbeitstag sein. Ohne den würde ich niemanden einstellen. Ein gut vorbereiteter Probearbeitstag bietet Dir die Möglichkeit die Bewerberin im Praxisalltag zu erleben. Gleichzeitig bekommt dein Team einen ersten Eindruck von der evtl. neuen Kollegin. So kannst Du unter Einbeziehung der Teammeinung eine noch sichere Einstellungsentscheidung treffen.

Das war eine ganze Menge Input, aber das intensive Einlassen auf eine mögliche neue Mitarbeiterin, die auch vom Team am Probearbeitstag als passend eingestuft wird, zahlt sich aus. So löst Du Personalprobleme nachhaltig.